Welcher Bindungstyp bin ich? Die Bindungstheorie erklärt und wie sie deine Beziehungen beeinflusst
- Anouk Algermissen
- 23. Sept. 2024
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Juli
Kennst du das Gefühl, dass du in Beziehungen immer wieder auf ähnliche Probleme stößt? Vielleicht fühlst du dich manchmal zu sehr an deinen Partner / deine Partnerin gebunden oder hast Angst, verlassen zu werden. Oder du ziehst dich schnell zurück, wenn es emotional wird? Diese wiederkehrenden Muster könnten mit deinem Bindungstyp zusammenhängen. In diesem Artikel erfährst du, wie die Bindungstheorie von John Bowlby und Mary Ainsworth hilft, dein Bindungsverhalten zu verstehen – und wie es deine Beziehungen beeinflussen kann. Entdecke, welcher Bindungstyp du bist und wie du gesunde, stabile Verbindungen aufbauen kannst.

Inhaltsverzeichnis
Bindungstypen im Erwachsenenalter Selbstwert und Bindung Wie beeinflusst Stress unser Bindungsverhalten? Fazit: Die Bedeutung der Bindungstheorie für unsere Beziehungen
Warum ist es wichtig, den eigenen Bindungstyp zu kennen?
Der eigene Bindungstyp beeinflusst, wie wir Beziehungen erleben, uns in Partnerschaften verhalten und welche Ängste oder Erwartungen wir haben. Dies zu wissen, hilft uns, besser zu verstehen:
Selbst- und Partnerverständnis: Du kannst Verhaltensmuster bei dir und deinem Partner erkennen und verstehen. Dies fördert Mitgefühl und eine gesündere Beziehung.
Problematische Verhaltensweisen verändern: Wenn du deine Bindungsdynamik erkennst, kannst du aktiv daran arbeiten, ungünstige Muster zu durchbrechen.
Bedürfnisse in Beziehungen klären: Du verstehst besser, was du in einer Beziehung brauchst, um dich sicher und geliebt zu fühlen.
Die Forschung zeigt, dass diese Bindungserfahrungen oft ins Erwachsenenleben übertragen werden und unsere Beziehungsdynamiken beeinflussen. Allerdings müssen frühe Erfahrungen nicht endgültig sein. Eine Studie von Fraley & Roisman (2019) belegt, dass sich Bindungstypen im Erwachsenenalter durch positive Beziehungserfahrungen oder therapeutische Arbeit verändern können.
Was ist die Bindungstheorie?
Die Bindungstheorie wurde von John Bowlby und Mary Ainsworth entwickelt und beschreibt, wie die Beziehung zwischen einem Kind und seinen primären Bezugspersonen (meist den Eltern) die spätere Bindungsfähigkeit prägt. Die Reaktion der Eltern auf die Bedürfnisse des Kindes bestimmt, wie sicher oder unsicher das Kind emotionale Bindungen aufbaut.
Ein klassisches Experiment, das die Bindungstypen identifiziert, ist der Fremde-Situation-Test. Hierbei wurde beobachtet, wie Kleinkinder reagieren, wenn ihre Mutter den Raum verlässt und zurückkehrt. Daraus leiteten die Forscher vier Bindungstypen ab:
Sichere Bindung: Das Kind erfährt Unterstützung und Zuneigung. Es entwickelt Vertrauen und emotionale Sicherheit.
Unsicher-ambivalente Bindung: Die Eltern sind inkonsistent, mal sind sie da, mal nicht. Das Kind entwickelt eine Angst vor Ablehnung und hat ein hohes Bedürfnis nach Nähe.
Unsicher-vermeidende Bindung: Die Eltern sind emotional distanziert. Das Kind lernt, seine Bedürfnisse zu unterdrücken und sucht Unabhängigkeit.
Desorganisierte Bindung: Das Kind erlebt traumatische oder inkonsistente Bindungserfahrungen und zeigt widersprüchliches Verhalten in Nähe-Distanz-Situationen.
Selbsttest
Test: Welcher Bindungstyp bist du?
Dieser Test ist keine offizielle Diagnose, sondern ein Tool zur Selbstreflexion. Wir betrachten hier drei Haupttypen: Sicherer, ängstlicher, und vermeidender Bindungsstil. Notiere dir die Zahlen deiner Antworten, um am Ende zu schauen, welche Zahl du am meisten notiert hast.
Situation 1: Es ist etwas Verletzendes passiert, und das Gespräch wird immer angespannter. Du:
Willst das Problem sofort lösen, weil du die emotionale Distanz nicht erträgst. Du fühlst dich unsicher und beginnst zu klammern oder zu kritisieren.
Spürst einen Fluchtreflex und versuchst, das Gespräch zu vermeiden. Du fühlst dich überfordert und möchtest nicht auf emotionaler Ebene einsteigen.
Versuchst, deine Gefühle klar zu kommunizieren, ohne das Gespräch eskalieren zu lassen.
Situation 2: Dein Partner / deine Partnerin spricht oft von einer Arbeitskollegin / einem Arbeitskollegen. Du:
Wirst eifersüchtig, googelst die Person und vergleichst dich mit ihr. Du reagierst eifersüchtig und fühlst dich unsicher.
Fühlst dich verletzt, ziehst dich aber zurück. Du verbringst mehr Zeit alleine oder mit Freunden und sprichst das Thema nicht an.
Sprichst das Thema offen an, teilst deine Unsicherheiten und erklärst, warum du ein schlechtes Gefühl hast.
Situation 3: Wenn es in der Beziehung schlecht läuft, tendierst du dazu:
Zu grübeln und dir die schlimmsten Szenarien auszumalen. Du versuchst alles richtig zu machen, um eine drohende Trennung abzuwenden.
Die Probleme zu verdrängen und dich abzulenken. Du ziehst dich emotional zurück und denkst möglicherweise über eine Trennung nach.
Dich um dich selbst zu kümmern und das Gespräch zu suchen, um Lösungen zu finden und die Beziehung zu stärken.
Situation 4: Dein Partner / deine Partnerin kritisiert dich in einer Diskussion. Du:
Spürst starke Emotionen wie Wut oder Angst. Du willst unbedingt, dass die andere Person dich versteht. Wenn das ausbleibt, bist du noch verletzter. Du hast das Gefühl jetzt alles richtig machen zu müssen, damit die andere Person keinen Grund mehr hat auf dich sauer zu sein.
Wehrst die Kritik ab oder ignorierst sie, weil du keine Lust hast, über emotionale Themen zu sprechen. Du reagierst mit Gegenargumenten und wirst immer kälter.
Nimmst die Kritik ruhig an, versuchst sie zu verstehen, und nutzt die Gelegenheit, die Beziehung zu verbessern.
Situation 5: Dein Partner / deine Partnerin plant einen Wochenendausflug ohne dich. Du:
Wirst nervös und hast Angst, dass die Person dich vergisst oder jemanden trifft, mit dem man mehr Spaß haben kann. Du suchst nach Bestätigung das noch alles in Ordnung ist in der Beziehung.
Du fühlst dich erleichtert und freust dich auf den Freiraum.
Findest es in Ordnung und freust dich, dass er Zeit mit Freunden verbringt. Du nutzt die Zeit, um dich auf deine eigenen Interessen zu konzentrieren.
Deine Auswertung: Welcher Bindungstyp bist du?
Meistens 1: Du hast einen ängstlichen Bindungsstil. Du suchst intensive Nähe, hast aber gleichzeitig große Angst vor Ablehnung und Verlust. Diese Ängste führen oft dazu, dass du klammerst oder dich übermäßig auf die Beziehung konzentrierst.
Wenn du lernen möchtest, besser mit Verlustängsten umzugehen und sicherer zu werden, dann schau dir meinen kostenlosen Workshop mit vielen Tipps und Strategien an:
Besonders Menschen mit einem ängstlichen Bindungsstil neigen dazu, Eifersucht und Verlustangst intensiver zu erleben. Studien zeigen, dass Eifersucht häufig mit geringem Selbstwertgefühl verbunden ist (DeSteno et al., 2006). Tipps um dein Selbstwertgefühl zu stärken findest du im Workshop.
Meistens 2: Du hast einen vermeidenden Bindungsstil. Du legst großen Wert auf Unabhängigkeit und vermeidest emotionale Nähe, um dich vor Verletzungen zu schützen. Du ziehst dich oft zurück, wenn es in der Beziehung intensiver wird oder du dich unter Druck / eingeengt fühlst in der Beziehung.
Wenn du lernen möchtest offener zu kommunizieren, um deinen Partner / deine Partnerin mit deinem emotionalen Rückzug nicht zu verletzen, dann schau dir doch mal mein Buch zum Thema Kommunikation an:
Meistens 3: Du hast einen sicheren Bindungsstil. Du fühlst dich wohl in Beziehungen, hast keine Angst vor Nähe oder Verlust und bist in der Lage, konstruktiv mit Problemen umzugehen.
1 und 2: Menschen mit desorganisiertem Bindungsstil fühlen sich in Beziehungen hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Angst vor emotionaler Verletzung. Personen mit desorganisierter Bindung zeigen oft widersprüchliches Verhalten, sie sehnen sich nach Nähe, haben aber gleichzeitig Angst davor, zu viel emotionale Nähe zuzulassen.
Fazit: Die Bedeutung der Bindungstheorie für unsere Beziehungen
Die Bindungstheorie hilft uns, unsere Beziehungsdynamiken besser zu verstehen. Obwohl frühe Bindungserfahrungen einen großen Einfluss auf unser späteres Beziehungsverhalten haben, zeigt die Forschung, dass wir diese Muster im Laufe unseres Lebens durch Bewusstsein, Selbstreflexion und gezielte Arbeit in Therapie und Beziehungen verändern können.
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