Wer wünscht sich nicht eine Beziehung, in der wir ganz viel Nähe und Verbundenheit jeden Tag erleben. Doch seien wir mal ehrlich: so leicht ist das gar nicht. Denn dann kommen Stress, Streitereien und andere Prioritäten mit rein und plötzlich merken wir, dass uns etwas Wichtiges fehlt. Damit das nicht passiert, sprechen wir heute über drei wichtige Strategien für mehr Verbundenheit im Alltag.
Inhaltsverzeichnis
Stell dir vor, du kommst von der Arbeit nach Hause und die Unterhaltung zwischen dir und deinem Partner / deiner Partnerin läuft etwa folgendermaßen ab:
Du: Hey Schatz, ich bin wieder da.
PartnerIn: Schön dich zu sehen! Wie geht es dir?
Du: Ehrlich gesagt, nicht so gut. Es war ein verdammt stressiger Tag und ich fühle mich irgendwie ausgebrannt.
PartnerIn: Oh man. Dann lass ich dich jetzt erstmal in Ruhe. Komm erstmal an und mach, was dir gerade gut tut. Und wie wäre es dann, wenn wir uns heute Abend ganz in Ruhe mal hinsetzen und du mir einfach mal erzählst, was passiert ist. Wir können uns ja einen Tee machen und dann redest du dir einfach alles von der Seele. Wie klingt das für dich?
In dieser kurzen Sequenz sehen wir direkt mehrere Beispiele dafür, wie man als Paar im Alltag Verbundenheit aufbauen kann. Am Ende werde ich auflösen, wie genau hier Nähe aufgebaut wurde. Dafür schauen wir uns in diesem Artikel drei Strategien an, die dir dabei helfen sollen, mehr Nähe in deiner Beziehung herzustellen und Streitereien vorzubeugen.
Strategie 1: Rituale aufbauen
Rituale helfen uns, Struktur in unseren Alltag zu bekommen. Denn an stressigen Tagen geraten unsere guten Vorsätze und Ideen für die Beziehung auch mal schnell in Vergessenheit. Dieser Prozess ist leider gar nicht so leicht zu stoppen.
Damit wir also weniger unserer begrenzten kognitiven Ressourcen aufwenden müssen, können uns Rituale dabei helfen, Strukturen parat zu haben, die wir immer wieder nutzen können.
Ein bisschen so wie Zähneputzen: Wir machen es jeden Tag, wahrscheinlich auch ungefähr zur gleichen Uhrzeit, ohne groß darüber nachzudenken. Es hat seinen festen Platz in unseren Abläufen, was dafür sorgt, dass wir es nicht vergessen. So hilft uns das Ritual des Zähneputzens dabei, langfristige negative Konsequenzen wie Karies zu vermeiden.
Auf Beziehungen bezogen, wäre Karies dann Streit und Distanz, die sich mit der Zeit einschleichen, wenn wir keine Strategien haben, um immer wieder dagegen anzuarbeiten.
Rituale sind also feste Abläufe und Prozesse. Diese Strukturen sollen uns einen besseren Zugang zu den Dingen geben, die uns wichtig sind.
Schauen wir uns einmal an, welche unterschiedlichen Formen von Ritualen man in den Alltag einbauen kann:
Ritual beim Verabschieden oder Ankommen
Viele Paare haben bereits ein Ritual beim Verabschieden. Die meisten geben sich z.B. einen Kuss und sagen vielleicht etwas wie: “Bis nachher, ich habe dich lieb.”
Dieses Ritual fördert Verbundenheit, erinnert das Paar an die Zuneigung zueinander und schafft einen Moment des Kontaktes in der Hektik.
Doch leider passiert dieses schöne Ritual für viele fast schon automatisch, wodurch einiges seiner Kraft verloren geht.
Tipp: Wenn ihr schon so ein Ritual habt, dann achtet doch darauf, es wieder mit mehr Achtsamkeit zu machen. Das bedeutet, den kurzen Moment wirklich zu genießen. Einander in die Augen zu schauen und die Worte, die man sagt, auch wirklich so zu meinen.b
Wenn ihr dieses Ritual etablieren wollt, dann könnt ihr die Zeit des Verabschiedens und Ankommens nutzen um:
einander in die Augen zu schauen
zu beschreiben, wie es einem gerade geht
auf die andere Person zuzugehen
einen kleinen Moment des körperlichen Kontakts zu suchen
einander für eine längere Zeit einfach zu umarmen
Ritual nach Streits
Rituale nach Streits sind wahnsinnig wichtig. Denn hier ist etwas zwischen dem Paar passiert, was nicht einfach ignoriert werden darf. Stell dir vor, du hast dir bei einem Fahrradunfall das Knie aufgeschürft. Diese Wunde würdest du versorgen, dich drum kümmern und schauen, dass alles gut verheilt. Mit diesem Mindset ist es auch hilfreich seelische Wunden, die z.B. in Streits entstehen, zu verarzten.
Das bedeutet konkret: Nach Streits braucht man als Paar einen Plan, wie man mit den emotionalen Wunden umgehen kann.
Rituale, die da helfen können, sind z.B.:
jeder versucht nach Streits die Situation für sich zu verstehen
man geht alleine spazieren, schreibt etwas auf oder spricht mit Freunden, um einen Überblick zu bekommen
man spricht nochmal über den Streit und versucht zusammen herauszufinden, was passiert ist
man macht gemeinsam einen Plan, wie es das nächste Mal besser laufen kann
So stellt man sicher, dass die emotionalen Wunden nicht einreißen und zu größeren Problemen führen.
Ritual in angespannten Situationen
Doch nicht nur nach Streitigkeiten oder hitzigen Diskussionen kann es sinnvoll sein, ein Ritual zu haben. Auch in ganz alltäglichen Situationen ist es Gold wert, wenn man sich auf eine Struktur verlassen kann.
Warum?
Angespannte, emotional aufgeladene Situationen können schnell ins Chaos führen. Dann fehlen oft die Kapazitäten, um einen Plan zu fassen, wie wir da wieder rauskommen. Wir möchten ja am Ende des Tages mehr Verbundenheit und nicht mehr Frustration fühlen.
Setzt euch doch in einem ruhigen Moment einmal zusammen und überlegt, welches Ritual es braucht, um eine angespannte Situation zu entschärfen:
möchtet ihr die Hand eures Partners / eurer Partnerin halten, um euch immer noch verbunden zu fühlen?
ist es dir wichtig, in einem ruhigen Umfeld zu sprechen?
wäre es eine gute Idee, dass jeder eine bestimmte Zeitspanne (z.B. 5-10 Minuten) bekommt, in der er / sie frei sprechen kann?
brauchst du Zeit für dich alleine, bevor du in ein Gespräch einsteigen willst?
gibt es ein gemeinsames Zeichen, das euch signalisiert, dass ihr auf einen Streit zusteuert?
Je besser ihr diese Faktoren für euch definieren und in euren Alltag einbinden könnt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Situation gut aufgelöst wird. Leider merken wir meist erst in schwierigen Situationen, dass wir unvorbereitet oder überfordert sind. Überlegt euch also am besten vorher, welche Strukturen euch in solchen Momenten Sicherheit und Halt geben.
Strategie 2: Wertschätzung zeigen
Es klingt so einfach und ist doch manchmal so schwer: Wertschätzung für die andere Person zeigen. Gerade, wenn wir angespannt oder nicht so gut auf die andere Person zu sprechen sind, fällt es uns besonders schwer, auch noch warme Worte zu finden oder auf die Person zuzugehen.
Das ist vollkommen verständlich. Damit das wieder möglich ist, müssen wir erstmal den Konflikt bearbeiten und uns gesehen fühlen. Doch was ist eigentlich mit den Momenten, wo alles in Ordnung ist in der Beziehung?
Leider ist es häufig so, dass viele von uns wertschätzend über die andere Person denken, aber diese Gedanken nicht aussprechen.
Das bedeutet vielleicht, dass unsere Partnerin viel erledigt hat oder unser Partner heute besonders gut aussieht, aber wir behalten dies meist für uns.
Wir verhalten uns meistens nicht so, weil wir der anderen Person die Wertschätzung nicht gönnen, sondern weil wir es schlichtweg vergessen zu kommunizieren.
Tipp
Um mehr Nähe im Alltag herzustellen, ist wertschätzende Kommunikation das A und O. Damit günstige Momente nicht ungenutzt an uns vorüberziehen, sollten wir ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie wichtig es ist, Lob und Anerkennung auch aktiv auszusprechen.
Wer hier noch eine Schippe drauflegen möchte, kann sich zudem damit befassen, wie der Partner / die Partnerin Wertschätzung am liebsten erlebt.
Jeder Mensch kann Wertschätzung unterschiedlich erleben. So kann es für einen Menschen mehr Nähe erzeugen, wenn Wertschätzung verbal ausgedrückt wird, wohingegen andere Wertschätzung am liebsten über Umarmungen oder Küsse erleben.
Schauen wir uns dafür einmal verschiedene Beispiele an, wie man Anerkennung zeigen kann. Gehe diese Liste doch gerne einmal mit deinem Partner / deiner Partnerin durch und markiert die Dinge, die ihr besonders schön findet.
Beispiele
lange Umarmungen
ein Kuss auf die Stirn
Aufgaben für jemanden erledigen
ein Kompliment über das Aussehen
ein Kompliment über ein Verhalten oder eine Eigenschaft
Händchenhalten in der Öffentlichkeit
der Person in Gesprächen den Rücken stärken
sich für erledigte Aufgaben bedanken
der Person ein kleines Geschenk mitbringen
interessierte Fragen stellen
gemeinsame Aktivitäten planen
sich zusammen hinsetzen und in Ruhe sprechen
Bei welchen von diesen Dingen würdest du dich besonders wertgeschätzt fühlen?
Strategie 3: Druck rausnehmen
Druck ist eine riesige Hürde, wenn man sich verbundener fühlen möchte. Denn wer kennt das nicht: wenn wir angespannt sind, ist die Zündschnur kürzer, wir haben weniger Kapazitäten und können viele gute Sachen einfach nicht so leicht umsetzen.
Damit wir also leichter wieder zur Verbundenheit kommen können, geht es manchmal mehr darum, weniger vom Negativen zu haben, als mehr vom Positiven.
Das bedeutet konkret: Manchmal ist es sinnvoller, etwas vom Druck zu reduzieren, als noch eine nette Geste oder ein schönes Date zu haben.
Nicht falsch verstehen: diese Dinge sind wunderbar. Doch manchmal sind sie nicht so effektiv und führen nicht wirklich zu mehr Verbundenheit, weil wir wie gesagt vom Druck und Stress blockiert sind. Wir kommen gar nicht erst dahin, diese Dinge genießen zu können, weil unsere Gedanken mit etwas ganz anderem beschäftigt sind.
Doch wie kann man jetzt Druck rausnehmen? Hier kommen drei Möglichkeiten, die dir dabei helfen können:
Sich auskotzen dürfen
Für viele ist es schon eine enorme Erleichterung, einfach über den ganzen Scheiß, der so passiert ist, zu sprechen. Indem wir unsere Erfahrungen in Worte packen, kann schon ein großer Teil des Drucks abfließen.
Wichtig: Häufig geht diese Strategie dann schief, wenn das Gegenüber sich irgendwie in der Verpflichtung fühlt, etwas gegen die negativen Gefühle zu machen. Doch das ist bei dieser Strategie überhaupt nicht das Ziel. Damit wir am Ende nicht zwei Menschen mit Druck haben, ist es wichtig, vorher darüber zu sprechen. So etwas wie:
“Hey Schatz, ist es okay, wenn ich einfach mal von meinem Tag erzähle? Ich brauche einfach nur ein offenes Ohr. Ich suche gerade nicht nach einer Lösung, sondern muss das einfach nur loswerden. Hast du dafür gerade die Kapazitäten?”
Wenn wir dann am Ende des Gesprächs angelangt sind und das Gefühl haben, von der anderen Person verstanden zu werden, hat das zwei tolle Vorteile. Zum einen sind wir erleichtert und können wieder mehr Nähe zulassen. Zum anderen bringen uns solche Erfahrungen auch sehr nah zusammen. Denn wenn ich merke, dass mir jemand wirklich zuhört und für mich da ist, baut das viel Nähe auf.
Körperkontakt
Körperkontakt kann extrem heilsam sein. Wenn wir jemandem umarmen oder uns auch nur an den Händen berühren, kann uns das ein Gefühl von Sicherheit und Ruhe bringen. Das führt dazu, dass wir entspannen und uns mit dieser Person verbunden fühlen.
Wie viele Paare habe ich schon dabei beobachten dürfen, die ein Gespräch komplett verändert haben, einfach durch eine kleine Berührung der Hände.
Wichtig: Nicht jeder mag Körperkontakt, wenn die Person unter Druck steht. Für manche Menschen ist er hilfreich, für andere geht es gar nicht. Das heißt, es sollte auf jeden Fall vorher darüber gesprochen werden, ob die andere Person das möchte oder nicht.
Zusammenfassung
Erinnerst du dich noch an die kleine Sequenz am Anfang? Überleg doch nochmal welche der drei Strategien, du hier wiederfinden kannst:
Stell dir vor, du kommst von der Arbeit nach Hause und die Unterhaltung zwischen dir und deinem Partner / deiner Partnerin läuft etwa folgendermaßen ab:
Du: Hey Schatz, ich bin wieder da.
Partner: Schön dich zu sehen! Wie geht es dir?
Du: Ehrlich gesagt, nicht so gut. Es war ein verdammt stressiger Tag und ich fühle mich irgendwie ausgebrannt.
Partner: Oh man. Dann lass ich dich jetzt erstmal in Ruhe. Komm erstmal an und mach, was dir gerade gut tut. Und wie wäre es dann, wenn wir uns heute Abend ganz in Ruhe mal hinsetzen und du mir einfach mal erzählst, was passiert ist. Wir können uns ja einen Tee machen und dann redest du dir einfach alles von der Seele. Wie klingt das für dich?
Zunächst drückt der Partner Wertschätzung aus, indem er dir sagt, dass es ihn freut, dich zu sehen. Dies war zudem auch ein Ritual des Ankommens. Also quasi zwei in eins.
Nachdem du ausgedrückt hast, dass es dir nicht so gut geht, versucht dein Partner auf dich zuzukommen. Er bedenkt, was du gerade brauchen könntest (auch das eine Form der Wertschätzung) und fragt dich, ob du einen Raum brauchst , um Druck aus der Situation zu nehmen.
Wir sehen also in dieser kurzen Unterhaltung direkt alle drei Strategien angewendet. Natürlich braucht das Übung und Geduld. Aber es kann euch enorm dabei helfen, einen wertschätzenden Umgang miteinander zu haben, der euch mehr verbindet.
Mehr Tipps und Anregungen findest du auf Instagram und Taktik unter @paarpsychologie. Wenn du Fragen oder Anregungen hast, freue ich mich immer über eine Nachricht.
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